Bimos Magazin - Die Grundsätze des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) am Industriearbeitsplatz

Die Grundsätze des betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) am Industriearbeitsplatz

Es ist für Unternehmen im Bereich von Produktions- und Industriebetrieben oft nicht ganz einfach, anhand der etwa durch Versicherungen vorgegebenen Schwerpunkte ein betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) in ihren Alltag zu integrieren: Fast immer zielen diese nämlich auf den Büroarbeitsplatz ab, an dem die Anforderungen andere sind als in der Industrie. Zwar sind diese BGM-Maßnahmen nicht falsch und einige von ihnen lassen sich auch auf die Produktion anwenden, doch um die Gesundheit der Belegschaft am Industriearbeitsplatz zu gewährleisten, sind umfangreichere Anstrengungen nötig. Die Ziele des BGM für ein Unternehmen im Bereich Produktion werden entsprechend auch anders formuliert als die an einem Büroarbeitsplatz.

Da die betriebliche Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz in der Produktion grundsätzlich von individuellen Abläufen abhängig ist, gilt es bereits beim Prozess der Montageplanung einiges zu beachten:

  • Planung des Ablaufs: Layout, Konzept, Tätigkeiten und Ablauf der Montage, Anzahl und Austaktung der Stationen
  • Fakten zum Auftrag oder zum Projekt: Stückzahl, ggf. Varianten, Losgröße, Sequenz, Verpackung, Kundentakt
  • Konstruktion des Produkts: Gestalt und Gewicht der Produkte oder Produktteile, Montageschritte, notwendiges Drehmoment, Fügekräfte
  • Gestaltung des Arbeitsplatzes: Bereitstellung der Materialien, Arbeitshöhe, Greifmöglichkeiten, Zugangsrichtungen, Einflüsse der Umgebung, Arbeitsplatzklima
  • Einsatz von Mitarbeitern und Ressourcen: Zahl und Auswahl sowie Zuordnung der Mitarbeiter, Rotationsmuster


Nur wenn all diese Punkte inklusive bisheriger Erfahrungswerte sowie die Vorschriften zum Arbeitsschutz in die Planung und Umsetzung der Arbeitsplatzgestaltung mit einbezogen werden, ist Ergonomie von vornherein möglich. Sie ist als Teil des betrieblichen Gesundheitsmanagements dazu angetan, die Effizienz der Beschäftigten zu steigern und die Qualität der hergestellten Produkte auf einem gleichbleibend hohen Level zu halten.


Die Analyse des Montage- oder Industriearbeitsplatzes



Inzwischen gibt es neben der Gefährdungsbeurteilung und Befragungen mehrere wirksame Methoden, mit denen die Belastungen der Mitarbeiter von Unternehmen im Bereich Industrie festgestellt werden können. Beispielsweise kann dafür (natürlich im Rahmen der Datenschutzregelungen) eine Kamera eingesetzt werden, um die Bewegungen der Angestellten aufzuzeichnen. Die Bilder werden direkt analysiert und lassen sich ideal verwenden, um Verbesserungsoptionen für den individuellen Arbeitsplatz herauszuarbeiten. Und so geht's:

  1. Die Gelenkpunkte des menschlichen Körpers bei den einzelnen Arbeitsschritten werden in 3D mit der Kamera erfasst. Sensoren oder Marker sind dafür nicht nötig.
  2. Ein Live-Feedback der aktuellen Belastung der betroffenen Körperstellen wie Wirbelsäule, Schultern und Knie wird erstellt, an dem die Intensität der Belastung ablesbar ist.
  3. Die Summierung der Belastung über einen Taktverlauf hinweg wird aufgezeigt – was in einem bestimmten Moment nicht als schwere Belastung empfunden wird, kann auf die Dauer sehr wohl stark belasten.
  4. Auch die Ermüdungsentwicklung im Zeitraum der Schicht wird visualisiert: Hier zeigen sich Punkte, an denen die Kraft oder die Konzentration so weit nachlässt, dass der Mitarbeiter nicht mehr akkurat arbeiten kann und/oder Schmerzen entwickelt, die im schlimmsten Falle später chronisch werden können.
  5. Es wird ein Vergleich unterschiedlicher Strategien bei der Bewältigung der Aufgabe erstellt. Daran ist ersichtlich, welche Vorgehensweisen stärker und welche weniger stark belasten. Es zeigt sich, dass eine Kombination aus mehreren Bewegungsmustern, die unterschiedliche Bereiche des Körpers im Wechsel belasten, insgesamt deutlich gesünder für den Körper sind als nur ein Bewegungsablauf, der immer wieder wiederholt wird.
  6. Es wird ein Vergleich der Belastung mit und ohne automatisierte Hilfen, etwa Hebehilfen, angestellt. Dabei ist zu sehen, wie stark entlastend die Hilfen auf den Körper des Mitarbeiters wirken und wie leicht ihm die Aufgabe im Vergleich von der Hand geht.
  7. Es wird eine Dokumentation der Analyse für Knie, Schultern und unterschiedliche Bewegungen der Wirbelsäule erstellt. Anhand verschiedener Färbungen, die die unterschiedlichen Belastungsgrade feststellen, ist auf einen Blick ersichtlich, welche Bewegungen innerhalb des Arbeitstages welche Körperteile besonders stark in Mitleidenschaft ziehen und wo entsprechend Entlastung geschaffen werden muss.
  8. Es erfolgt die Wiedergabe der Erkenntnisse in leicht verständlichen Bildern mit einem Ampelsystem und gut erkennbaren menschlichen Figuren. Alle Informationen lassen sich so mit nur einem Blick erfassen.
  9. Es ist möglich, anhand der Auswertungen im Rahmen des BGM ein Training für die Mitarbeiter zusammenzustellen, in dem sie lernen, welche alternativen Bewegungsabläufe sie nutzen können, um die einseitigen Belastungen während der Arbeitszeit aufzubrechen und durch Varianten in der Haltung abzumildern.
  10. Die Ergebnisse helfen beim Feststellen von Optimierungsmöglichkeiten im Arbeitsablauf, die nicht ausschließlich mit den Bewegungen der Mitarbeiter zu tun haben müssen: Auch die Implementierung von automatisierten oder statischen Hilfen kann die Belastungen im Arbeitsalltag abschwächen.



Erfolgreiche Implementierung von BGM-Schwerpunkten am Beispiel BMW



BMW hat in Leipzig die körperlichen Belastungen der Belegschaft in der Produktion überprüfen lassen. Anhand der gewonnenen Bilder und der Analyse der Belastungen war es möglich, einen Belastungsmix zu erstellen, der während des Takts die Beine auf unterschiedliche Weisen mit einbezog. Auf diese Weise konnte die starke Belastung des Rumpfes der Beschäftigten, die bei der bisherigen Arbeitsweise aufgetreten war, um 30 Prozent reduziert werden. Da es sich um verschiedene Variationen der Beinstellung handelt, kommt es auch hier nicht zu einer einseitigen starken Belastung.

Die Maßnahmen sind im Rahmen des Projekts "BGM-innovativ: Arbeitsplatznahes, trägerübergreifendes Versorgungsmanagement der Betriebskrankenkassen" durchgeführt worden. Es zielt speziell auf Beschäftigte mit Muskel-Skelett-Erkrankungen ab und hat deren betriebliche Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz in der Produktion zum Ziel.

Da die Unterstützungen individuell angepasst und sowohl auf die Genesung wie auch auf die Versorgung der Betroffenen ausgerichtet sein sollen, müssen hier verschiedene Stellen Hand in Hand arbeiten: Eine Koordination zwischen Krankenkassen, Rentenversicherungen und Betrieben wie in diesem Projekt ist ein Novum; bislang wurden die Maßnahmen eher neben- als miteinander durchgeführt. Die Bündelung der Strukturen soll es erlauben, Erkrankungen bzw. die Chronifizierung der Schmerzen zu vermeiden, die Dauer der Krankheiten und Fehlzeiten zu verkürzen und die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter dauerhaft zu erhalten. Die Betriebskrankenkassen stellen für dieses Projekt Fallmanager, die den beteiligten Unternehmen und Versicherten zur Seite stehen.


So bietet das Gesundheitsmanagement für Unternehmen im Bereich Industrie Mehrwerte



Um die positiven Auswirkungen des BGMs für das Unternehmen und die Produktivität nutzen zu können, sind individuelle Betrachtungen und Konzepte notwendig: Es muss eine Gefährdungsbeurteilung der Arbeitsplätze durchgeführt und sie müssen auf ihre Ergonomie und die sinnvolle Funktionalität der Abläufe hin überprüft werden. Die Mitarbeiter demonstrieren die Arbeitsabläufe, sodass die Belastungen der einzelnen Körperpartien festgestellt werden können. Es werden Umfragen erhoben, in denen die Mitarbeiter anonym darlegen können, welche Probleme sie im Arbeitsalltag sehen und was sie körperlich und/oder psychisch belastet. Daten zu Fehlzeiten und Krankschreibungen werden ausgewertet.

Erst, wenn sich ein ganzheitliches Bild der aktuellen Ist-Situation abzeichnet, kann das BGM Maßnahmen und Strukturen in die Wege leiten und präventiv tätig werden. Ein Angebot, das die BMW Group ihren Mitarbeitern macht, ist die jährliche betriebliche Gesundheitsuntersuchung: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommen in bestimmten festgelegten Bereichen Checkup-Untersuchungen vom Arbeitgeber bezahlt. Sie erhalten die Ergebnisse in einer ausführlichen schriftlichen Auswertung, die eine umfassende ärztliche Beratung zu möglichen Maßnahmen zur Besserung der Gesundheit umfasst. Angst davor, dass die Inhalte der individuellen Auswertungen den Arbeitgeber erreichen könnten, brauchen die Angestellten nicht zu haben: Es gilt ein strenger Datenschutz innerhalb der Organisation, und die Ärzte unterliegen der Schweigepflicht.

Haben die Beschäftigten aber ihre Ergebnisse erhalten, wissen sie, welche Maßnahmen ihre Gesundheit schützen könnten. Sie können in (anonymisierten) Befragungen darauf hinweisen, was ihre Beschwerden verursacht, und gegebenenfalls anhand des ärztlichen Rats Maßnahmen empfehlen, die sich im Unternehmen durchführen lassen und die den Problemen entgegenwirken können. Neben den konkreten Maßnahmen, die die Gesundheitsgefährdungen aus der Welt schaffen sollen, kann das Gesundheitsmanagement für die Produktionsmitarbeiter Kampagnen und Aktionen anbieten: Mit diesen wird wertvolles Wissen über die Erhaltung der Gesundheit vermittelt, und es werden Anregungen gegeben, wie eine kleine Änderung des täglichen Verhaltens positive Auswirkungen haben können. Die Kampagnen und Aktionen können sowohl über alle gebräuchlichen betrieblichen Vertriebskanäle als auch über einen eigens eingesetzten Gesundheitsbotschafter verbreitet werden. Sie dienen der Prävention.

Weitere Informationen zur Studie und Ergebnissen finden Sie unter https://www.arbeitsschutz.sachsen.de/download/Vortrag_Engelhardt_BAET_2018.pdf


Die Grundsätze des BGMs im Überblick



Bei der Einführung eines betrieblichen Gesundheitsmanagements in einem Unternehmen aus dem Bereich der Produktion sollten Sie immer bedenken, dass das BGM eng mit der Arbeitsmedizin und dem Gesundheits- und dem Arbeitsschutz verquickt sein muss. Betrachten Sie grundsätzlich die konkrete Situation an den jeweiligen Arbeitsplätzen: Sitzen die Mitarbeiter, stehen sie bewegen sie sich viel, bücken sie sich, hocken sie sich hin oder heben sie schwere Lasten? Bei jeder Art der Bewegung kann es durch eine Überbelastung zu Beschwerden des Muskel-Skelettapparates kommen. Daher ist es angeraten, Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Beim Arbeiten im Sitzen hingegen ist es wichtig, dass die Mitarbeiter die passenden, ergonomischen Sitzgelegenheiten erhalten, die den Anforderungen des Arbeitsplatzes in der Produktion angemessen sind.


Die Notwendigkeit einer integrativen Betrachtung des Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Die körperlichen Beschwerden der Mitarbeiter möglichst zu lindern und Langzeitfolgen vorzubeugen, ist ein wichtiger Punkt, aber bei weitem nicht der einzige, den das betriebliche Gesundheitsmanagement umsetzen muss. Im Rahmen der ganzheitlichen Betrachtung gehen Sie auch andere Baustellen in Ihrem Unternehmen an, etwa

  • die Minimierung von Unfallrisiken, was auch der Arbeitsschutz (bzw. das Arbeitsschutzgesetz) vorschreibt: Die Handhabung potenziell gefährlicher Maschinen und Werkzeuge darf nur mit den vorgeschriebenen Sicherheitsregeln vonstattengehen. Die Mitarbeiter brauchen gegebenenfalls Schutzkleidung, und Sie müssen sie in regelmäßigen Abständen schulen, damit sie die gefährdungsmindernden Regelungen nicht vergessen.
  • das Herausarbeiten und die Eliminierung von mentalen Belastungen: Gerade, wenn die Produktionsziele für die Mitarbeiter nur schwer erreichbar sind, kann es unter den Mitarbeitern zu Stress kommen. Achtung: Auch dieser kann chronisch werden. Und chronischer Stress macht Menschen körperlich krank; sie schlafen schlecht, leiden unter Bluthochdruck und unter Störungen des Verdauungsapparats. Darunter leidet die Arbeit – sowohl quantitativ wie auch qualitativ kann ein Mitarbeiter unter Dauerstress nicht das Optimum leisten. Es ist also dringend angeraten, hier Abhilfe zu schaffen. Falls Sie die Zielzahlen nicht senken können oder wollen, müssen vielleicht die Abläufe schlanker gestaltet werden, oder Sie stellen zusätzliches Personal ein.
  • die Optimierung der Arbeitsplatzumgebung. Passen Sie so weit wie möglich Klima und Licht den optimalen Gegebenheiten an. Falls Ihre Mitarbeiter im Stehen arbeiten, kann es helfen, spezielle Matten für den Boden zu kaufen, die die Füße und die Kniegelenke entlasten. Auch Stehhilfen können hier die Belastung der Beine minimieren.
  • die Einbindung sorgfältiger Schulungen bei betrieblichen Neuerungen. Vor allem in Zeiten der Digitalisierung werden ältere Mitarbeiter plötzlich mit neuem Arbeitsgerät konfrontiert, mit dem sie sich nicht auskennen und das ihnen fremd ist. Es ist absolut notwendig, dass Sie diese Angestellten genau dort abholen, wo sie stehen, ansonsten sind sie in den Produktionsabläufen eher Störfaktoren als hilfreiche Mitarbeiter. Machen Sie von Anfang an klar, dass es keine Alternative zu den neuen Arbeitsmitteln gibt, das nimmt den Anhängern der "haben wir immer so gemacht"-Tradition den Wind aus den Segeln. Bieten Sie nicht nur eine, sondern mehrere Schulungen an und stellen Sie jemanden ab, der immer ansprechbar ist, falls einer der Mitarbeiter hinsichtlich der neuen Arbeitsschritte unsicher ist. Es kann etwas dauern, aber schließlich werden alle Ihre Angestellten die Neuerungen verinnerlicht haben.



Analyse, Diagnostik und Strategien für den individuellen Fall



Mitarbeiter stehen gesundheitlich an verschiedenen Punkten. Sie können im Rahmen des BGMs mittels kostenloser betrieblicher Gesundheitsuntersuchungen und anonymisierter Befragungen herausfinden, wie viele Ihrer Mitarbeiter mit welchen Beschwerden zu kämpfen haben. Je nach Art der Probleme gibt es die jeweils ideal zugeschnittene Lösung.


Primärprävention



Für die Mitarbeiter, die bislang keine Beschwerden aufweisen, gilt es, ihre Gesundheit zu erhalten. Dies kann geschehen, indem Sie ihnen in Kampagnen oder Aktionstagen die Notwendigkeit von Bewegung nahebringen. Viel hilfreicher ist aber in den meisten Fällen, ihnen ein Training im Fitnessstudio oder in speziellen betrieblichen Kursen im Unternehmen auf Firmenkosten anzubieten. Außerdem sollten Sie Ihre Mitarbeiter in der Verhaltensergonomie schulen und sie zur Rotation verschiedener Bewegungsvarianten am Arbeitsplatz anhalten.


Sekundärprävention



Sobald die Mitarbeiter erste Beschwerden anzeigen, müssen Sie gegensteuern: Lassen Sie sie vom Werksarzt untersuchen und ihnen Krankengymnastik oder Physiotherapie verschreiben. Auch für sie ist wichtig, dass sie ihren Körper im Arbeitsalltag unterschiedlich belasten.


Tertiärprävention



Liegen bereits einsatzkritische Gesundheitsbeschwerden vor, die vielleicht sogar schon chronisch geworden sind, brauchen die Mitarbeiter nach der Untersuchung durch den Werksarzt eine Rehabilitation. Dabei ist wichtig, dass sie ihre Bewegungsfähigkeit wiedererlangen und im Rahmen des Programms ein Training beigebracht bekommen, das sie später selbst durchführen können. Eine sorgfältige, behutsame betriebliche Reintegration rundet den Prozess ab. Diese kann nur gelingen, wenn ersichtlich ist, welche Arbeitsschritte zu den gesundheitlichen Problemen geführt haben. Falls es keine Möglichkeit gibt, die Abläufe andersartig zu gestalten, muss der Mitarbeiter an anderer Stelle eingesetzt werden. Prüfen Sie in diesem Fall noch einmal, ob Ihr Unternehmen alle Regelungen des Arbeitsschutzes einhält!


Wie sollten Sie genau vorgehen?



Betriebliches Gesundheitsmanagement in Unternehmen im Bereich Produktion sollte nie allein stehen, sondern eng verknüpft sein mit der Arbeitsmedizin und dem Gesundheits-/Arbeitsschutz. In der Praxis überschneiden die Bereiche sich bei der Umsetzung sowieso stark. Zu den gesetzlichen Aufgaben gehören ohnehin

  • die Arbeitsstättenbegehung
  • die Gefährdungsbeurteilung
  • Untersuchungen bei arbeitsbedingten Erkrankungen oder nach Arbeitsunfällen
  • die Organisation der Ersten Hilfe
  • die Meldepflichten
  • die arbeitsmedizinische Vorsorge (etwa Pflicht- und Lärmvorsorge)
  • ergonomische Arbeitsplatzgestaltung
  • Schulungen bei betrieblichen Veränderungen
  • Fortbildungen zu neuen gesetzlichen Vorschriften
  • Impf- und Reiseberatung bei Auslandseinsätzen während Dienstreisen
  • das betriebliches (Wieder-)Eingliederungsmanagement



Diese Aufgaben werden ergänzt durch die der unternehmensspezifischen Gesundheitsleistungen, die die Ambulanzversorgung ebenso umfassen wie die Suchtberatung. Das BGM umfasst weiterhin die betriebliche Gesundheitsförderung der Arbeitnehmer, etwa durch Sport, gesunde Ernährung und andere Präventivmaßnahmen. Um die geeigneten Kampagnen und Schulungen durchzuführen, müssen die Führungskräfte entsprechend qualifiziert sein: Sie können an Wissen nur das weitergeben, was sie selbst haben. Suchen sie nach externen Beratern, müssen sie wissen, wonach genau sie Ausschau halten sollten und was einen guten Experten auszeichnet.

Neben betrieblichen Gesundheitsuntersuchungen und an die Ergebnisse angepassten Maßnahmen spielt auch die Suchtbegleitung im BGM eine wichtige Rolle: Leidet ein Mitarbeiter an einer Sucht, ist ihm die Chance zu geben, diese zu überwinden. Dafür müssen ihm die passenden Fachleute zur Seite gestellt werden, die ihm helfen, seine Abhängigkeit zu bekämpfen. Danach erhält der entsprechende Mitarbeiter eine behutsame Reintegration in das Unternehmen. Besonders wichtig ist für die Gesundheit am Industriearbeitsplatz die Gefährdungs- und Belastungsbeurteilung. Dafür unterscheidet man vier verschiedene Arten der Belastung, nämlich physische und mentale Belastungen, solche aus der direkten Arbeitsumgebung sowie Unfallgefahren und besondere Belastungen. Sie alle wirken sich unterschiedlich schädigend auf die Produktionsmitarbeiter aus.

  • Physische Belastungen umfassen solche des Nackens, der Schultergelenke, des Rumpfes, der Körperkräfte sowie der Hände und Finger. Belastungen durch Gehen, Sitzen, Hocken, Knien und Stehen zählen dazu, ebenso wie solche durch die Handhabung von Lasten. Wer während seiner Arbeitszeit immer wieder bestimmte Bewegungen durchführt, belastet seinen Körper einseitig. Es kann zu Verschleißerscheinungen an den Gelenken und Sehnen kommen; der gesamte Muskel-Skelettapparat kann in Mitleidenschaft gezogen werden, Bandscheibenvorfälle sind oft der Beginn eines langen Leidenswegs. Neben dem Rücken sind vor allem Knie und Schultern Problemzonen. Wird der Schmerz in den überbeanspruchten Körperteilen chronisch, ist die Arbeit oft unmöglich. Es kommt zu Frühverrentungen und zu einem eingeschränkten Leben.
  • Mentale Belastungen hingegen kommen beispielsweise durch Leistungs- und Zeitdruck zustande oder durch die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen. Sie führen dazu, dass die Mitarbeiter sich Sorgen machen, dass sie ihre Quoten nicht erfüllen und dass ihr Arbeitsplatz und damit ihre Existenz dadurch in Gefahr geraten. Stress und Konzentrationsstörungen sind die Folge, was Fehler bei der Arbeit nach sich ziehen kann, die wiederum die Sorgen verstärken. Es entsteht ein Teufelskreis, der zu immer schlimmeren Belastungen führt und schließlich auch körperliche Auswirkungen wie Schlafmangel oder Magenprobleme nach sich zieht.
  • Belastungen durch die Arbeitsplatzumgebung hängen zum Beispiel mit Klima, Lärm und Sichtbedingungen zusammen: In manchen Unternehmen im Bereich Industrie kommt es beispielsweise zu hohen Temperaturen in der Herstellung. Hier muss der Arbeitgeber alles in seiner Macht Stehende dafür tun, dass die Bewegung am Arbeitsplatz dennoch erträglich für die Mitarbeiter ist. Das kann durch Bereitstellung atmungsaktiver Schutzkleidung geschehen, durch regelmäßige Pausenzyklen zum Abkühlen und durch das Bereitstellen von Getränken. Gegen Lärm am Arbeitsplatz helfen Lärmminderungsmaßnahmen in der Raumakustik sowie Gehörschutze. Diese sind immens wichtig, da Produktionsmitarbeiter an sehr lauten Arbeitsplätzen stark beeinträchtigt werden können: Lärmschwerhörigkeit ist die häufigste anerkannte Berufskrankheit. Lärm führt zudem zu Stress und damit zu Unkonzentriertheit, Fehlern und weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.
  • Unfallgefahren und besondere Belastungen kommen je nach Arbeitsplatz im Unternehmen in der Produktion individuell häufig vor. Bei Ersteren handelt sich um Risiken, die es so weit wie möglich zu minimieren gilt – das schreibt das Arbeitsschutzgesetz vor. Besondere Belastungen sind solche, die sich nicht den oben genannten Arten von Belastungen zurechnen lassen, nichtsdestotrotz aber den Arbeitsalltag und/oder das Wohlbefinden der Produktionsmitarbeiter beeinträchtigen.
  • Die Maßnahmen, um den Problemen durch diese verschiedenen Parameter zu begegnen, sollten umfassend sein und die verbesserungswürdigen Punkte am besten ganzheitlich angehen. Bei der Arbeitsstättenbegehung etwa kann festgestellt werden, dass nicht nur die Ergonomie des Arbeitsplatzes zu wünschen übriglässt, sondern gleichzeitig die Arbeitsabläufe suboptimal organisiert sind. Letzteres kann Zeitdruck wegen der Zielvorgaben hervorrufen, was neben der physischen auch eine mentale Belastung verursacht. Entsprechend muss die Lösung die Arbeitssituation in gleich mehrerlei Hinsicht verbessern.

    Es mag am Anfang mit viel Aufwand verbunden sein, ein betriebliches Gesundheitsmanagement im Unternehmen zu integrieren. Doch es lohnt sich: Mit einem Blick auf das Ganze lassen sich so ganz verschiedene Optimierungen gleichzeitig vornehmen. Die Ziele des BGMs sind schließlich auch breit gefächert: Die Mitarbeiter sollen gesünder sein, die Fehlzeiten sinken und die Produktivität steigen. Eine höhere Zufriedenheit und stärkere Identifikation mit dem Unternehmen sind wünschenswert. Die Arbeitnehmer sollen nicht nur gern zur Arbeit kommen, sondern sich gut versorgt und wertgeschätzt fühlen. Auf diese Weise arbeiten sie produktiver und qualitativ hochwertiger, und sie neigen dazu, ihren Arbeitgeber weiterzuempfehlen.


    Praxisbeispiel: Produktionsergonomische Strategien



    Das Gesundheitsmanagement muss seine Maßnahmen am Industriearbeitsplatz genau auf die Anforderungen der Produktionsmitarbeiter zuschneiden. Das kann auf unterschiedlichen Wegen geschehen, die verschieden großen Erfolg versprechen.

    • Die korrektive Ergonomie ist diejenige, nach der Änderungen im Arbeitsalltag und am bereits bestehenden Arbeitsplatz vorgenommen werden, nachdem Probleme aufgetreten sind. Sie wird zur Schadensbegrenzung genutzt. Da sie in bestehende Systeme integriert werden muss, ist sie selten ideal umsetzbar.
    • Die präventive Ergonomie hingegen setzt auf Vorbeugung: Sie wird bereits in der Konzeptphase in die Planung des Arbeitsplatzes mit einbezogen (man nennt sie auch konzeptive Ergonomie). Ergonomische Erwägungen stehen hier im Entwurf des Arbeitsplatzes und in den geplanten betrieblichen Abläufen gleichberechtigt neben organisatorischen, technischen und wirtschaftlichen Kriterien. Da sie nicht nachgerüstet werden muss, fügt sie sich ideal in den jeweiligen Arbeitsplatz ein und verhindert gesundheitliche Belastungen bei Produktionsmitarbeitern.
    • Die prospektive Ergonomie geht noch einen Schritt weiter: Sie ermöglicht den Mitarbeitern die Persönlichkeitsentwicklung, da sie nicht nur Schmerzen oder gesundheitliche Beeinträchtigungen verhindert, sondern auf sinnvolle Weise vergnüglich oder unterhaltend wirkt, die Leistung unterstützt, die Zufriedenheit fördert, die Vernetzung und das Lernen erleichtert und so allgemein das Wohlbefinden der Mitarbeiter verbessert.



    Bimos Magazin - BGM Kreislauf


    Um im Idealfall die präventive und die prospektive Ergonomie im Unternehmen im Bereich Produktion zu verbinden, muss im Vorfeld einige Arbeit geleistet werden: Expertenteams sollten sich anhand aktueller Literatur einen Überblick darüber verschaffen, was momentan möglich ist. Dann werden Mitarbeiterdaten aus dem eigenen oder aus vergleichbaren Unternehmen ausgewertet, die zeigen, an welchen Stellen es Probleme oder die Möglichkeit zur Verbesserung gibt. Anhand der Informationen aus diesen beiden sehr unterschiedlichen Quellen lassen sich die individuell passenden produktionsergonomischen Gestaltungsansätze erstellen. So können Arbeitsplätze ergonomisch gestaltet und sinnvolle Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine geschaffen werden.


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