Bimos Magazin - Suchtprävention im BGM

Suchtprävention im BGM

Hoher Leistungs- und Erfolgsdruck gepaart mit extremen Konzentrations- und Flexibilitätsanforderungen bestimmen den heutigen Arbeitsalltag. Vielen Beschäftigten fällt es schwer, mit diesen Umständen in einer gesunden Art und Weise langfristig umzugehen. Wenn auch noch andere Belastungen durch sein soziales Umfeld hinzukommen, verstärkt sich das Risiko für psychische Krankheiten, zu denen auch Suchtprobleme zählen.

Laut des DAK Gesundheitsreports von 2019 zum Thema Sucht zählt vor allem der Alkohol- und Nikotinkonsum zu den am stärksten verbreiteten Suchtmitteln, die in einem stationären Aufenthalt enden oder zu Einschränkungen bei der Arbeit führen. Aber auch andere Suchtmittel oder Drogen wie Anerkennung in sozialen Medien oder Glücksspiele halten mehr und mehr Einzug in die Arbeitswelt. Eine unbehandelte oder ignorierte Sucht stellt dabei nicht nur eine Gefahr für das Individuum an sich, sondern auch für das Unternehmen dar. Suchtkranke Mitarbeiter verursachen erhebliche Leistungseinbußen und können durch ihr erhöhtes Risikoverhalten vermehrte Arbeitsunfälle verursachen und damit auch andere in Mitleidenschaft ziehen. Außerdem könnte langfristig das Arbeitsklima unter den andauernden Belastungen leiden.

Um den Zielen des BGM nachzukommen und die Gesundheitsförderung Ihrer Mitarbeiter langfristig zu forcieren, sollte also sowohl präventiv als auch intervenierend an das Thema Sucht herangegangen werden. Oberste Priorität sollte es sein, Sensibilisierung und Aufklärung zu schaffen und Offenheit innerhalb Ihres Unternehmens gegenüber diesem Problem anzustreben.


Arten von Auffälligkeiten am Arbeitsplatz



Für die Suchtprävention im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements ist es notwendig, alle eventuell auftretenden Arten von Süchten zu kennen. So treten neben Suchtproblemen mit einem Suchtstoff auch solche auf, die ohne ein Mittel zum Einnehmen funktionieren. Die wohl bekanntesten und auch weitesten verbreiteten Beispiele von Suchtmitteln am Arbeitsplatz sind Alkohol und Nikotin. Zu den Auffälligkeiten mit Suchtstoffen zählen aber auch die Medikamenten- und Drogensucht zum Beispiel durch Cannabis.

Auch Suchtprobleme ohne einen Stoff werden mehr und mehr relevant. Zu solchen Drogen zählen:

  • Glücksspiel
  • Soziale Medien
  • Computerspiele
  • Sport
  • Sex
  • Essstörungen
Diese Suchtmittel sind oft schwieriger im Unternehmen zu erkennen und leichter durch den Betroffenen zu verbergen. So ist es jedoch generell bei allen vorkommenden Suchtproblemen und Drogen in Ihrem Betrieb. Deswegen ist umso mehr eine geschärfte Sensibilität gefragt. Denn oft werden derartige Auffälligkeiten von psychischen Problemen begleitet oder manchmal auch direkt durch diese ausgelöst. Das können Ängste, Überforderung oder auch ein Burnout sein. Auch wenn das betriebliche Umfeld meist nicht die Ursache ist, können dennoch Dinge wie hoher Druck, lange Arbeitszeiten und wenig Erholungsphasen, Überlastung und Unterlastung oder soziale Problematiken wie Mobbing die Sucht des Betroffenen verstärken. Achten Sie im betrieblichen Gesundheitsmanagement daher stets auf Faktoren, die auf schon bestehende oder sich anbahnende Sucht hindeuten. Indikatoren können beispielsweise eine deutlich verminderte Produktivität des Mitarbeiters oder das häufige Vorkommen von Arbeitsunfällen sein.


Zentrale Bausteine der betrieblichen Suchtprävention



Die Suchtprävention im betrieblichen Gesundheitsmanagement teilt sich in präventive und intervenierende Maßnahmen. Beide sind nötig, um die Gesundheitsförderung Ihrer Mitarbeiter bestmöglich voranzutreiben und zu unterstützen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass Präventionsmaßnahmen oft effektiver gegenüber der Intervention sind, da diese nicht erst greifen, wenn das Problem bereits da ist. Viel mehr werden die entstehenden Schäden der Suchtprobleme durch die betriebliche Prävention gering gehalten und viele eventuell auftretenden Abhängigkeiten bereits im Vorhinein abgewendet. Dennoch sind beide für die erfolgreiche Umsetzung des BGM und die Förderung der Gesundheit Ihrer Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen unverzichtbar.


Präventive Maßnahmen



An vorderster Stelle der präventiven Arbeit bei Suchtfragen im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagement sollte die Aufklärung und Information Ihrer Mitarbeiter, aber auch aller Führungskräfte stehen. Klären Sie beispielsweise mithilfe von Infokampagnen zu verschiedenen Punkten des Themas Sucht wie der Verteilung, der Arten oder des Umgangs auf. Oder realisieren Sie die Informationsweitergabe mithilfe von betrieblichen Arbeitskreisen. Für eine allumfassende Aufklärung könnte auch ein Thementag angeboten werden, an dem alle Beschäftigten gemeinsam teilnehmen.

Durch solche Veranstaltungen kann neben der reinen Wissensweitergabe auch ein Rahmen und eine Wertekultur innerhalb des Unternehmens geschaffen werden, indem offen über seine Probleme, Ängste oder auch Kämpfe gesprochen werden darf. Vorbildfunktion sollten hier vor allem Beschäftigte in Leitungsposition einnehmen, um ihre Mitarbeiter zu motivieren und anzustoßen, sich selbst mehr zu reflektieren. Eine solche Kultur der Offenheit kann weiterhin vor einem Ausblenden oder Ignorieren bei schon entstandenen oder sich langsam einschleichenden Süchten schützen. So kann eher gehandelt und entstehende Probleme weitestgehend vermindert werden.

Eine weitere schnell umzusetzende Maßnahme der Prävention könnten zum Beispiel gesetzlich festgelegte Verbote oder betriebliche Einschränkungen sein. So können Sie beispielsweise den Verkauf von Zigaretten und Alkohol in Ihrem Betrieb begrenzen oder zusätzlich noch ein Rauch- bzw. Trinkverbot am Arbeitsplatz einführen. Für diese kann auch die psychische Gefährdungsbeurteilung zu Rate gezogen werden. In dieser Beurteilung werden meist mithilfe eines Fragebogens und Beobachtungen Informationen zum Gesundheitsverhalten der Belegschaft gesammelt. Diese kommen zum Beispiel aus dem Bereich der Ernährung, des Schlafs, der Bewegung und dem allgemeinen Gesundheitszustand. Die psychische Gefährdungsbeurteilung ist gesetzlich vorgeschrieben und dient der Früherkennung und Identifizierung von psychischen Problemen.

Ein letzter Schritt zur Suchtprävention am Arbeitsplatz ist die Qualifizierung der Führungskräfte und Vorgesetzten. Schulen Sie sich im Umgang und der Gesprächsführung mit verhaltensauffälligen Beschäftigten, die in Zusammenhang mit einem Suchtproblem stehen könnten. Solcherlei Informationsvermittlung und Sensibilisierung sollten Sie allerdings unbedingt den Experten überlassen und dafür eine Fachklinik aufsuchen. Falls Sie einen Betriebsarzt beschäftigen, kann der Ihnen sicherlich auch mit Kontakten weiterhelfen. Achten Sie darauf, dass diese betrieblichen Schulungen regelmäßig und mit allen Vorgesetzten durchgeführt werden. Wichtig ist außerdem, dass die Gesprächsvorbereitung keinesfalls der genauen Diagnose des Betroffenen dient, sondern lediglich erste Anknüpfungspunkte zur weiteren Vermittlung an Beratungsstellen setzt.


Intervenierende Maßnahmen



Auch wenn präventive Maßnahmen oft effektiver wirken und Suchtprobleme am Arbeitsplatz verhindern können, ist es unabdingbar, Angebote für die bereits bestehenden Auffälligkeiten anzubieten. Am wichtigsten ist hier die zuvor geschulte Sensibilisierung, die anhand von Gesprächen und Nachfragen zum Tragen kommt. Sobald Ihnen als Führungskraft bei Ihren Beschäftigten ungewöhnliche Verhaltensweisen auffallen, ist es wichtig, zu reagieren. Natürlich muss nicht immer direkt eine Abhängigkeit dahinterstecken, dennoch ist ein Beobachten und ernst nehmen gefragt. Sprechen Sie Auffälligkeiten klar an und beziehen Sie dabei am besten einen Experten für Gesundheit mit ein. Ihre Aufgabe ist es hierbei nicht, Suchtfragen langfristig zu lösen oder Probleme gar zu behandeln, sondern Sie dienen lediglich als Vermittlung an dafür ausgebildete Beratungsstellen oder direkte Entwöhnungskurse zum Beispiel für Raucher oder Alkoholiker. Direkte Suchthilfe leisten also nicht Sie als Unternehmen, sondern externe Experten und Ärzte.

Ähnlich wie bei den präventiven Maßnahmen kann auch in der Intervention mit Regelungen beziehungsweise Verboten am Arbeitsplatz gearbeitet werden. Führen Sie beispielsweise ein Rauch- und Alkoholverbot ein und legen Sie Wert darauf, zum Beispiel bei Firmenfeiern auf den Alkohol zu verzichten, wenn Sie wissen, dass einzelne Mitarbeiter Probleme damit haben könnten. Alle Regelungen sollten allerdings am besten in schriftlicher Form in Absprache mit dem Betriebsrat festgehalten werden.

Ein weiterer wichtiger Baustein der Intervention lässt sich im betrieblichen Eingliederungsmanagement verorten. Suchtkranken soll der Wiedereinstieg in den beruflichen Alltag so einfach wie möglich gemacht werden. Mithilfe einer stufenweisen Wiedereingliederung soll der Betroffene schrittweise an die volle Arbeitsbelastung und so den Übergang zur vollen Berufstätigkeit herangeführt werden. Während dieser wird die Gesundheit und Entwicklung des Beschäftigten durch einen Arzt regelmäßig überprüft. Die Wiedereingliederung kann bis zu 6 Monate dauern, wird in der Regel jedoch für einen Zeitraum von 4 bis 8 Wochen gewährt. Bevor sie jedoch stattfinden kann, ist es notwendig, dass sowohl Arbeitnehmer als auch Arbeitgeber einem Wiedereingliederungsplan zustimmen, der alle Bedingungen und Abläufe regelt. Dieser Plan wird von allen Beteiligten gemeinsam erstellt. Viele Fachkliniken, die eine Suchthilfe anbieten, unterstützen den Betroffenen auch bei seiner beruflichen Wiedereingliederung, sodass Sie noch eine fachliche Unterstützung haben.


Betriebsvereinbarung zur Regelung des Umgangs mit Suchtproblemen



Um vor allem in den intervenierenden Maßnahmen nach einem geregelten Prozess vorzugehen, über den alle Beschäftigten aufgeklärt sind, ist es sinnvoll, alle Regelungen, Ziele und auch Pläne in einer Betriebsvereinbarung festzuhalten. Bei der Betriebsvereinbarung handelt es sich um eine Übereinkunft zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, die rechtsverbindlich ist und das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer regelt. In ihr können Dinge wie Urlaub, Arbeitsschutz, aber eben auch Verordnungen und Festlegungen zum Umgang mit Sucht festgelegt werden.

Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) empfiehlt in ihrem Leitfaden für die Praxis der betrieblichen Suchtprävention die Aufstellung eines Stufenplans. Dieser regelt die einzelnen Schritte der Intervention, die mit einem betroffenen Beschäftigten gegangen werden müssen. Jeder Schritt der weiteren Intervention muss nur eingeleitet werden, wenn der Mitarbeiter keinerlei Reaktion und/oder Veränderung nach dem vorangegangenen Gespräch zeigt. Ein Stufenplan kann beispielsweise so aussehen:

Phasen der Intervention Beteiligte Hilfsangebote Sanktionen
1. Intervention
  • Vorgesetzter
  • betroffene Person
  • Infomaterial
  • Hinweis auf externe Beratung
keine
2. Intervention
  • Vorgesetzter
  • betroffene Person
  • Suchtbeauftragter
  • Aufforderung: Kontaktaufnahme zur Suchtberatung
keine
3. Intervention
  • Vorgesetzter
  • betroffene Person
  • Suchtbeauftragter
  • Personalstelle
  • Auflage: Aufsuchen der Suchtberatung
Abmahnung
4. Intervention
  • Vorgesetzter
  • betroffene Person
  • Suchtbeauftragter
  • Personalstelle
  • schriftliche Auflage, eine Beratungsstelle aufzusuchen
  • Fallbegleitung
Abmahnung
5. Intervention
  • Vorgesetzter
  • betroffene Person
  • Suchtbeauftragter
  • Personalstelle
  • sofortige Einleitung einer Therapie
  • ggf. Angebot einer Wiedereinstellung nach der Therapie
Anordnung bzw. Einleitung des Kündigungsverfahrens

Quelle: Qualitätsstandards in der betrieblichen Suchtprävention und Suchthilfe der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS), S.55


Fazit: Sensibilisierung und Offenheit als Schlüssel der Suchtprävention



Leider sind Suchtprobleme am Arbeitsplatz bis heute ein Tabuthema, über das kaum bis gar nicht aufgeklärt geschweige denn gesprochen wird. Oft werden Auffälligkeiten nicht beachtet, verharmlost oder auch angeklagt. Da Süchte ein sehr persönliches Thema und nicht selten auch mit privaten Problemen verbunden sind, ist das Reden darüber meist mit Scham und Angst vor Ausgrenzung behaftet. Deswegen sollte es in der betrieblichen Suchtprävention oberste Priorität sein, ein Umfeld der Offenheit und des Verständnisses füreinander zu schaffen. Sensibilisieren Sie sowohl Betroffene als auch Unbetroffene für das Thema Sucht. So können Probleme schneller erkannt und angegangen werden. Außerdem wird eine höhere Selbstreflexion und damit auch Motivation zum selber Handeln von Suchtkranken angeregt. Eine allumfassende Gesundheitsförderung Ihrer Mitarbeiter wird sich nachhaltig in Ihrem Unternehmen einstellen und in sinkenden Schäden und steigender Leistung sichtbar werden.

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