Bimos Magazin - Big Data in der Produktion

Big Data in der Produktion

Big Data ist aktuell in der Produktion noch weniger weit verbreitet als in anderen Branchen – zu Unrecht, wie bisherige Erfahrungen zeigen. Die Chancen, die die Sammlung und Auswertung von Daten in der Fertigung bieten, sind vielfältig, bleiben aber häufig ungenutzt, wie aktuelle Erhebungen belegen.

Ohne den Einsatz von Big Data im Produktionsprozess ist eine Smart Factory aber nicht denkbar. Entsprechend muss gerade in Deutschland noch viel Aufholarbeit geleistet werden, damit das Land den Anschluss in der Industrie 4.0 nicht verpasst.


Big Data – Was verbirgt sich dahinter?



Big Data bezeichnet Datenmengen, deren Sammlung und Auswertung noch vor wenigen Jahren undenkbar gewesen sind. Es handelt sich speziell in der Produktion nicht um Kundendaten, an die die meisten Menschen wohl zuerst denken, wenn sie den Begriff hören. Stattdessen können Abläufe im Produktionsprozess überwacht werden: Bestimmte Muster treten hervor. Daten verschiedener Quellen werden durch Analyse miteinander in Verbindung gebracht und erlauben Rückschlüsse, die ohne die Menge an Daten und ihre sorgfältige Auswertung nicht möglich gewesen wären.

Aus diesen Rückschlüssen lassen sich Aktionen ableiten, die die Produktion, aber auch ihre Vorbereitung und die Qualitätssicherung verbessern. Um die Möglichkeiten von Big Data ausschöpfen zu können, müssen viele Unternehmen aber grundlegende und kostenintensive Veränderungen vornehmen. Manche Unternehmer schrecken davor zurück – gerade Chefs mittlerer und kleiner Unternehmen fragen sich oft, ob die Investition sich lohnen würde.


Die Anwendungsgebiete von Big Data

Während des Produktionsprozesses gibt es zahlreiche Möglichkeiten für den Einsatz von Big Data. Sie kann helfen die Sicherheit zu unterstützen, Abläufe zu optimieren, die Qualität zu sichern und die Effizienz zu verbessern helfen. Beispiele hierfür sind

  • Kontrolle von Maschinen und Anlagen im laufenden Betrieb: Sensoren im Inneren von Maschinen und Anlagen zeichnen die Arbeitsabläufe auf. Sobald Veränderungen auftreten, erhalten die Mitarbeiter ein Zeichen, dass ein Eingreifen notwendig ist. Es wird analysiert, was die Veränderung hervorgerufen hat, und die Maschine oder Anlage kann durch vorbeugende Wartung instandgehalten werden. So werden ein Defekt und ein damit einhergehendes Erliegen der kompletten Fertigung vermieden.
  • Anpassung der Maschinen und Anlagen an veränderliche Gegebenheiten: Es gibt eine ganze Reihe von maschinellen Abläufen, die von äußeren Umständen abhängen und schnell veränderlich sind. Ein Mensch müsste in solchen Fällen laufend Feinjustierungen vornehmen und käme vermutlich mit dem Schreiben der entsprechenden Berichte nicht mehr hinterher. Die passenden Sensoren allerdings können laufend Daten sammeln und sie in großer Zahl in Echtzeit auswerten. Je nach Ergebnis werden dann an die Maschine Befehle gesendet, damit sie die notwendigen Anpassungen vornimmt. Ein Beispiel wäre hier etwa Windräder: Die Sensoren stellen eine leichte Änderung der Windrichtung fest, und die Maschine erhält automatisch den Befehl, die Rotorblätter entsprechend auszurichten.
  • Verbesserung der Effizienz: Müssen Rohstoffe gewonnen werden, sind oft nur kleine Stellschrauben für größere Veränderungen verantwortlich. Big Data präsentiert die Verbesserungsmöglichkeiten bei der Gewinnung von Stoffen, für die Prozesse durchlaufen werden müssen. So kann beispielsweise sowohl in Metallunternehmen wie in der chemischen Industrie durch kleine Veränderungen die Ausbeute erhöht werden, ohne dass das Ausgangsmaterial sich verändert.
  • Qualitätssicherung: Stellen Sensoren bereits während der Produktion fest, dass ein bestimmtes Bauteil in einem großen Produkt nicht der Qualität der anderen Teile entspricht, kann der Unternehmer gezielt eingreifen. Rückrufe können so pointiert durchgeführt und der Austausch rasch und punktuell vorgenommen werden. Die Entwicklung verbesserter Teile wird priorisiert, und die Qualität des fertigen Produktes steigt an.
  • Produktionsstandorte erschließen: Im Zuge der Globalisierung können Unternehmen weltweit agieren. Was sich wo lohnt, hängt teilweise von den wirtschaftlichen Umständen und der bestehenden Infrastruktur, aber auch von den vorhandenen Rohstoffen und den Gesetzen des jeweiligen Landes ab. Es sind viele unterschiedliche Daten, die hier zusammenkommen und alle gemeinsam ausgewertet werden müssen. Big Data hilft dem Management eines Unternehmens dabei, sich ein Bild zu machen von der Rentabilität angedachter Produktionsstandorte.
  • Rohstoffbeschaffung: Wenn es Probleme in der Supply Chain gibt, beeinträchtigt das immer auch die Produktion – wer keine Rohstoffe oder Bauteile hat, kann sie auch nicht verarbeiten. Daher ist es für die Smart Factory auch wichtig, dass Informationen darüber vorliegen, wo und wann Rohstoffe zugänglich sind. Wirtschaftliche, politische und meteorologische Gründe etwa können dafür sorgen, dass jemand die bestellten Güter nicht erhält. Wer das voraussehen kann, ist imstande, einen Notfallplan zu entwickeln und so den Produktionsengpass zu umgehen.



Chancen und Risiken von Big Data in der Produktion

Die Industrie 4.0 bietet für diejenigen, die sie annehmen möchten, zahlreiche Chancen. Das globale Beratungsunternehmen Frost & Sullivan etwa geht davon aus, dass Unternehmen durch den Einsatz von Big Data ihre Produktionseffizienz um zehn Prozent steigern kann. Größer sind allerdings noch die zu erwartenden Einsparungen: Eine Reduktion der Instandhaltungskosten um bis zu 50 Prozent ist möglich, ebenso wie eine Reduktion der Betriebskosten von annähernd 20 Prozent.

Für Unternehmen, die schon länger bestehen, müssen wahrscheinlich nicht einmal mehr lange Daten gesammelt werden: Auch historische Daten können mit einbezogen werden, um mögliche Verbesserungen zu identifizieren – die Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Daten noch in einer Weise vorliegen, die das Analysieren erlaubt.

Die Risiken der Nutzung von Big Data mögen manchen Unternehmern als unüberwindlich erscheinen: Die herkömmlichen IT-Strukturen in Unternehmen sind bislang nicht dafür ausgelegt, mit Big Data zu arbeiten. Gerade die Produktion kommt den meisten Unternehmern auch nicht als erstes in den Sinn, wenn es um Datenauswertung geht. Hinzu kommt, dass auch die Datensicherheit und die erlaubte Datennutzung für Mitarbeiter noch immer Probleme bereiten können. Hier ist zumeist noch individuelle Entwicklung nötig, da die wenigen Systeme, die bislang entworfen worden sind, noch erhebliche Anpassungen im Unternehmen benötigen.


Voraussetzungen für den Einsatz von Big Data in der Produktion

Um Big Data in der Produktion einsetzen zu können, sind für die meisten Unternehmen Veränderungen nötig, die sich durch alle Abteilungen ziehen. Viele Unternehmen sammeln sogar bereits große Datenmengen während der Fertigung, doch sie nutzen sie nicht durch Analyse zu 100 Prozent aus. So kommt es zum Beispiel vor, dass Maschinen Defekte melden, ohne dass eine Software der Ursache davon auf den Grund geht. Unter diesen Umständen können die Mitarbeiter immer nur reagieren, niemals aber vorbeugen.

Die theoretischen Möglichkeiten sind überwiegend gegeben: Maschinen und Anlagen, Computer und das Internet der Dinge können weitestgehend verknüpft werden, Daten sammeln und sie auch auswerten. Häufig allerdings bleiben Unternehmer beim Datensammeln stehen: Die anschließende Auswertung findet nicht mehr statt, und die Chancen dadurch verstreichen ungenutzt, wie eine Studie von Staufen in Verbindung mit der TU Darmstadt Ende 2018 feststellte.

Ein kleiner Fortschritt ist laut dieser Studie aber in der Akzeptanz von Big Data als Teil der Industrie 4.0 in Deutschland allgemein zu verzeichnen: Vor allem in der Elektroindustrie und im Maschinenbau sammeln die meisten Unternehmen Daten im großen Stil. Allerdings muss die Belegschaft diesen Schritt mittragen: Chefs sollten durch die Hinzuziehung von Fachkräften so viel wie möglich von der Materie verstehen, damit sie fundierte Entscheidungen treffen können. Mitarbeiter sollten an Schulungen teilnehmen und sich das erarbeiten, was für den veränderten Berufsalltag nötig wird.

Was oft zu kurz kommt oder kleinere Unternehmen abschreckt, ist die Tatsache, dass die Nutzung von Big Data ganzheitlich verlaufen muss, um lohnenswert zu sein. Es genügt nicht, sie ausschließlich in der Produktion einzusetzen, da die Produktion von vielen anderen Faktoren abhängt (s. o.: Supply Chain). In einer Smart Factory ist niemals nur eine einzelne Abteilung digitalisiert, sondern alles. Außerdem ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit nötig: Während IT-Experten die nötige IT-Infrastruktur erstellen, sorgen die Automatisierungstechniker für die Bereitstellung der Datenquellen, die Softwareentwickler sind für die Entwicklung der Algorithmen zuständig, und das Management hat die Aufgabe, sich so weit in das Thema einzuarbeiten, dass es fundierte Entscheidungen treffen kann. Das Ziel muss die Entwicklung einer individuellen, unternehmensweiten Datenstrategie sein.

Das ist immens viel Arbeit, die quasi neben dem alltäglichen Hauptgeschäft ablaufen muss. Darüber hinaus sind weder die entsprechende Technik noch die notwendigen Schulungen oder die unentbehrlichen Fachkräfte günstig. Dennoch werden sich die Investitionen bezahlt machen – allein schon durch die Einsparungen, die die Verwendung von Big Data bei unterschiedlichsten Posten ermöglicht.


Fazit: Große Umwälzungen bieten große Chancen



Auch wenn nur die wenigsten Menschen bei Big Data als Erstes an die Produktion denken, ist ein Einsatz hier besonders Erfolg versprechend: Die Qualität der Produkte kann ebenso verbessert werden wie die Langlebigkeit der Maschinen und Anlagen. Ausbeuten werden durch die clevere Auswertung der riesigen Datenmengen gesteigert und Umgebungseinflüsse exzellent genutzt. Besteht in der Theorie bereits jede Möglichkeit zur Nutzung all dieser Verbesserungen, sieht es in der Praxis allerdings in Deutschland noch ganz anders aus: Viele Unternehmen sammeln während des Produktionsprozesses Daten, ohne sie weiter zu verwenden, sodass sie keine Vorteile daraus ziehen können.

Der Digitalisierungsprozess bereitet zahlreichen Unternehmern noch immer Kopfzerbrechen, da er kostenintensiv ist und längst nicht alle Probleme gelöst sind. Speziell Fragen rund um den Datenschutz und um den sicheren Zugang für Mitarbeiter, denen die Daten überall für ihre Arbeit zur Verfügung stehen müssen, haben noch keine allgemeingültige Antwort erhalten. Die Tatsache, dass hier in den einzelnen Unternehmen teils individuelle Lösungen gefunden werden müssen, ist vor allen für solche Unternehmer abschreckend, die keine eigene IT-Abteilung haben. Auch die notwendige Lernbereitschaft von Management wie auch Mitarbeitern sorgt für Bedenken. Allerdings überwiegen die guten Chancen einer konsequenten Nutzung von Big Data in der Produktion: Allein die Einsparungen bieten immense Vorteile gegenüber der Konkurrenz.


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